Filmvermittlung beim Kinderfilmfestival
„Macht die Augen zu. Was ist das vom Film, das euch einfällt? Woran könnt ihr euch erinnern?“ So startet normalerweise ein Filmgespräch beim Internationalen Kinderfilmfestival. So auch für die Teilnehmenden des Forum Kultur Vermittlung, die zum Filmscreening mit anschließendem Filmgespräch eingeladen waren.

Kinderfilmfestival
Das Kinderfilmfestival gibt es nun schon in der 36. Edition, die Filmvermittlung ist seit 17 Jahren integraler Bestandteil des Festivalangebotes. Aufgebaut wurde die Vermittlung von Anna Hofmann und Martina Lassacher, die das Forum Kultur Vermittlung nach dem Filmscreening von Comedy Queen am 19. November 2022 zum Gespräch getroffen hat.
Das Festival zeigt Filme aus der ganzen Welt. Die Filme sind in Originalfassung und werden live im Kino deutsch eingesprochen, um ein möglichst tiefes Verständnis anderer Lebenswelten zu vermitteln. Viele, die das Live-Einsprechen nicht kennen, mögen anfänglich skeptisch sein, doch nach fünf Minuten verschmelzen Film und Stimme aus dem Off komplett.

Es gibt keine Film ab Null
Die Altersstufen für die Filme werden vom Festivalteam sehr bewusst festgelegt: einerseits müssen Kinder die Filme inhaltlich erfassen können. Andererseits müssen sie die Filmsprache verstehen können: so können z.B. kleinere Kinder noch nicht zwischen realen Charakteren und imaginierten unterscheiden. Ein weiteres wesentliches Kriterium ist die Perspektive des Kindes: ist der Film auf Augenhöhe des Kindes gedreht? Also aus der (Bild)Perspektive des Kindes heraus?
Die FSK Zulassungen haben im Gegensatz ganz andere Vorgaben: es geht vor allem um Sprache und Gewalt, die Bildsprache hat hier wenig Gewicht.
„Unser Publikum ist das zukünftige Publikum der Viennale“ (Martina Lassacher)
Filmvermittlung für Kinder und Schulen
Für Individualbesuchende und Schulen bietet des Kinderfilmfestival ein breites Vermittlungsangebot mit Filmgesprächen und Workshops.
Theaterpädagogische Workshops für Kinder von 12-14 Jahren gibt es Samstags nach dem Screening. Die Filmgespräche und Workshops für Schulen finden meist eine Woche nach dem Festival in der Schule statt. So haben die Kinder genug Zeit um den Film zu verarbeiten.
Das Festival bietet auch umfangreiche Begleitunterlagen zu den Filmen für Lehrpersonen und Erwachsene an. Damit können sich die Erwachsenen auf das Filmscreening und die Nachbesprechung mit den Kindern gut vorbereiten. Alle Unterlagen stehen auf der Website zum Download bereit.

Filmgespräche
In den Filmgesprächen zeigt das Vermittlungsteam anhand der Bildsprache, was die*der Regisseur*in gemacht hat, damit der Film auf die Zusehenden eine bestimme Wirkung hat. In unserem Falle: Warum wir der Protagonistin im Film Comedy Queen so nahe sind.
Die Filmgespräche starten immer mit dem Schließen der Augen: „Macht die Augen zu. Was ist das vom Film, das euch einfällt. Woran könnt ihr euch erinnern?“ Das Schließen der Augen hat eine beruhigende Wirkung und ermöglich den Blick nach Innen. Danach dürfen die Teilnehmenden alles sagen, was ihnen zum Film einfällt. Es gibt nur eine Regel: den andern zuhören. Diese Methode funktioniert laut dem Festivalteam besonders bei Kindern sehr gut, da sie wirklich das sagen, was sie sehen. Erwachsene hingegen interpretieren gerne und sprechen gleich über ihre Emotionen oder Assoziationen. Das können wir aus eigener Erfahrung bestätigen.
Bei den Filmgesprächen lernen die Kinder auch, eine eigene Meinung zu haben, ihr zu vertrauen, sie zu formulieren, sie zu vertreten und Argumente zu finden.
Filmsprache
Um das Sehen geht es bei der Methode des Festivalteams: darauf zu fokussieren, was auf dem Film bzw. Filmbild zu sehen ist: war es der Kopf der Protangonisten, ein Ausschnitt ihres Oberkörpers oder doch die ganze Person? Für die Handlung mag das nicht so relevant sein, aber für die emotionale Wirkung ist das extrem wichtig.
Meist nimmt das Filmvermittlungsteam bei den Filmgesprächen ausgedruckte Filmstills mit, um sie mit den Teilnehmenden gemeinsam zu analysieren. Diese Analyse der Bildsprache funktioniert auch mit Kindern, die den Film nicht gesehen, haben sehr gut: sie können anhand der Stills sehr genau die Wirkung einer Szene nur anhand der Bildsprache erfassen. Manchmal geben die Filmvermittler*innen den Kindern vor der Filmrezeption auch ein paar Tipps, worauf sie achten sollen: „Ein Tomatenbrot wird wichtig“, „Achtet auf die Farbe blau“, „Orte sind wichtig in dem Film“.

Kinderjury
Ein Kinderjury begleitet das Festival und vergibt den Preis für den besten Film. Die Kinder sind zwischen 12 und 14 Jahren alt. Beim laufenden Festival können sich Interessierte für kommendes Jahr anmelden, die Teilnahme wird verlost.
Die Kinderjury sieht zur Vorbereitung auf die Festivalfilme Kurzfilme. Diese können mehrmals hintereinander angeschaut werden um die Filmanalyse zu üben. Ganz wichtig ist, dass die jungen Jurymitglieder die Filme nicht danach beurteilen, ob sie ihnen gefalle haben oder nicht. Das geht z.B. mittels Fragekarten wie: Was war der lustigste Film? Was war der realistischste Film? Jeder Film wird bei jeder Frage meist einmal genannt und so kommt die Jury schnell ins Diskutieren. Neben dem Preis der Kinderjury gibt es bei jedem Festival noch den UNICEF-Preis, und den Publikumspreis. Die Preisträgerfilme werden am Ende des Festival noch einmal gezeigt.

Fazit
Das Kinderfilmfestival ist eine echte Empfehlung für alle jungen (und auch nicht mehr so jungen) Filminteressierten. Die Filmauswahl ist jedes Jahr unglaublich vielfältig und bietet Höhepunkte des internationalen Filmschaffens, die sonst in Österreich meist nicht zu sehen sind. Die begleitende Filmvermittlung eröffnet neue Zugänge und gibt Einblick in die vielen Möglichkeiten der Filmsprache. Viele Eltern und Großeltern sind dem Festival inzwischen so sehr verbunden, dass sie auch alleine kommen, wenn ihre Kinder dem Festival schon entwachsen sind. Das können wir sehr gut nachvollziehen.