Überlegungen von Isabell Fiedler und Olivia Harrer
zur Blogparade: Wie digital sollten Museen sein? von Thorsten Beck
Digitalisierung – unabhängig vom Ausmaß und der Anwendungsbereiche – ist im Museum angekommen. Die zentrale Frage, die sich uns in diesem Zusammenhang stellt, ist:
WIE findet Digitalisierung im Museum statt?
Wie integrieren Museen und Kulturinstitutionen digitale Kommunikationsformen in ihr Kommunikationsverhalten? Welche Strukturmerkmale und Werte bilden die Basis für (digitale) Kommunikation? Wie wirken sich digitale Kommunikationsformen auf die gesamte Institution und ihr Selbstbild aus?
Warum ist Digitalisierung heute ein so zentrales Thema?
Aktuell findet ein grundlegender Wandel unseres Kommunikationsverhaltens und der damit verbundenen Erwartungen und Anforderungen statt. Einerseits sind wir es heute gewohnt, wo, wann, und wie wir möchten, zu kommunizieren: zeitungebunden 24/7, ortsungebunden über diverse mobile Endgeräte, geräteübergreifend. Gleichzeitig kommt es durch immer einfacher zu bedienende digitale Technologien und Social Web-Anwendungen zu einer Transformation von passiven Rezipient_innen und Nutzer_innen hin zu aktiven Produzent_innen von Medieninhalten. Gerade der Begriff des Produsers – eine Kombination von Produzent_in und User – tritt immer mehr in Erscheinung. Auch die Bezeichnung Prosument, die Konsument_in und Produzent_in miteinander verschmilzt, ist geläufig. (Kirchhoff 2015: 23)
Museen und Kulturinstitutionen müssen diese neue kommunikative Realität anerkennen – sie sollten sich dieser nicht verschließen. Im Gegenteil: digitale Kommunikation kann Museen dabei helfen, ihren sozialen, musealen und gesellschaftliche Auftrag in einer sich ständig wandelnden, immer komplexer und diverser werdenden Gesellschaft zu erfüllen.
Welche einzelnen Kanäle und Plattformen ein Museum in seiner Kommunikation nutzt, sollte wohl überlegt und reflektiert sein. Hier sind vor allem die Bereitschaft, aber auch Möglichkeiten und Ressourcen der Institution ausschlaggebend, wie schon Christian Gries in seinem Beitrag zur Blogparade betont (21. März 2018). „Museen haben ihre eigenen, individuellen Zukunftsvisionen, Wünsche, Vorstellungen und Ziele“ hebt auch Anita Thanhofer in ihrem Beitrag hervor. Wir schließen uns hier an und möchten noch betonen: besser weniger (digitale) Medien bedienen und vor allem solche, die die Kommunikation der Institution unterstützen und als Teil einer gesamtheitlichen Kommunikationsstrategie Anwendung finden.
Damit kommen wir zu Frage 2: Sind Museen ohne digitale Angebote heute noch wettbewerbsfähig? JEIN. Es kommt immer auf die individuelle Situation der Institution an: In welchem Umfeld agiert das Museum? Mit wem interagiert das Museum? Auf welche finanziellen, personellen und infrastrukturellen Mittel kann es zurückgreifen? Institutionen, vor allem abhängig von ihren zu vermittelnden Inhalten, können auch (noch) ohne einen Open Access zu ihren digitalisierten Sammlungen, AR- und VR-Welten, Facebook-, Twitter- und Instagram-Accounts auskommen. Die Frage, die sich uns eher stellt, ist: welche Medien und Kanäle sollten passend für die Handhabung innerhalb der Institution, aber auch ausgerichtet an den Bedürfnissen ihrer potentiellen Besucher_innen, zum Einsatz kommen?
Neben den Vorteilen, digital (Zusatz)Informationen erlangen zu können, soll ein persönlicher Austausch mit Besucher_innen, Multiplikator_innen bzw. vielfältigen Communities die Basis für die gesamte Kommunikationsarbeit der Institution darstellen. Da reicht auf der digitalen Ebene bereits eine unaufwendige, gut strukturierte Website mit den wichtigsten Informationen zum Angebot der Institution und Kontaktmöglichkeiten zu Kommunikationsparter_innen innerhalb der Institution. Was auch gleich Antwort ist auf Frage 1: Welche digitalen Angebote sollte jedes Museum machen?
Frage 3: Was macht ein überzeugendes digitales Profil aus?
Allen voran braucht es eine langfristige (digitale) Strategie, die auf Verständigung zwischen allen Kommunikationspartner_innen abzielt. Voraussetzung für jedwedes digitale Agieren ist unserer Meinung nach eine die gesamte Institution umfassende, integrierte und auf Verständigung abzielende Kommunikationsstrategie, die Kommunikation als holistisches Gesamterlebnis definiert und die digitale Kommunikation als einen zentralen Bereich mit den anderen Kommunikationsebenen (onsite, offline, online) vernetzt.
Holistisches Gesamterlebnis
Das Museumserlebnis ist im 21. Jahrhundert aufgrund der zunehmenden Digitalisierung der Kommunikationswelt nicht mehr rein auf den physischen Ort beschränkt: der museale Kommunikationsraum ist onsite und online, analog und digital. Diese Bereiche sind eng verbunden und stehen in einer Wechselbeziehung. Das Besucher_innen-Erlebnis beschränkt sich nicht mehr nur auf das physische Gebäude bzw. ein Medium: Besucher_innen erleben die Institution Museum nicht durch einen einzigen Kanal bzw. sehen das Museum nicht bezogen auf seine Kanäle, sondern verstehen es als eine Entität. Wir sprechen in diesem Kontext von einem holistischen Gesamterlebnis (Fiedler/Harrer 2017), das alle Medien und Kanäle umfasst, online und offline. D.h. grundlegende Kommunikationsstrukturen und Werte müssen sowohl im analogen als auch digitalen Bereich Anwendung finden bzw. können besonders die digitalen Medien in Ergänzung analoge Kommunikationslücken schließen.
Verständigungsorientierung
Museumskommunikation im digitalen Zeitalter muss verständigungsorientiert sein. Verständigungsorientierte Museumskommunikation (VOMK) zielt auf das konstante Ziel der Verständigung zwischen dem Museum und seinen Kommunikationspartner_innen ab. Kurz gefasst mündet eine erfolgreiche Verständigung in einer gemeinsamen Situationsdefinition aller Kommunikationspartner_innen: die Teilnehmer_innen sind sich einig, wer, worüber, zu welchem Zweck kommuniziert und respektieren dies. Unklarheiten werden mittels Dialog auf Augenhöhe und mit Argumenten geklärt. Hier sind vor allem digitale Medien ein gut zugänglicher Diskussionsraum. Zentrale Voraussetzungen für eine VOMK sind neben einer Dialogorientierung und einer kommunikativen Offenheit der Institution, Wahrhaftigkeit und Richtigkeit in der Kommunikation sowie eine integrierte Kommunikation und Zugang zum Kommunikationsraum Museum (offline wie online).
Angesiedelt in der Unternehmenskommunikation, verbindet eine integrierte Kommunikation alle Kommunikationskanäle und sichert eine konsistente, kongruente und kontinuierliche Kommunikation auf allen Ebenen, mit allen Partner_innen (Bruhn, 2003). Eine integrierte Kommunikation ermöglicht Museen, ihre Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit zu stärken und ein daraus resultierendes Vertrauen in die Institution zu erwecken. Denn nur wenn konsistent, kongruent und kontinuierlich mit allen Kommunikationsinstrumenten kommuniziert wird, wird die/der Kommunikator_in für das Gegenüber glaubwürdig (Bentele 2008).
Gerade der Zugang zum Kommunikationsraum Museum sollte – im online wie offline Bereich – eine verständigungsorientierte Kommunikation verfolgen.
Dabei sollte ein barrierefreier Zugang zum Kommunikationsraum Museum durch Universal Design im physischen wie digitalen Raum sowie Responsive Design für mobile Geräte gewährleistet sein.
Durch die Bereitstellung von Unterlagen mit Rücksichtnahme auf unterschiedliche Informationsniveaus – beispielsweise in leichter Sprache – schafft das Museum einen breiteren intellektuellen Zugang zu kommunizierten Inhalten. Hier können besonders digitale Medien eingesetzt werden, die z.B. in Ergänzung zu analogen Medien im Museum selbst oder auf digitalen Plattformen verschiedene Informationsniveaus (in verschiedenen Sprachen sowie als Audioausgabe) anbieten. Ein kommunikativer Zugang zur Institution Museum ist v.a. im digitalen Bereich verortet: Open Access ermöglicht Zugang zu den Inhalten des Museums und schaff eine zeit- und ortsunabhängige Erreichbarkeit der Institution über zumindest einen Kanal. Abschließend sollte auch auf einen repräsentativen Zugang zur Institution Museum im Sinne einer Chancengleichheit für Menschen mit Beeinträchtigung bzw. vormals unterrepräsentierter Communities in personellen Agenden des Museums geachtet werden. Dieser soll in der online wie offline Kommunikation sichtbar sein.

Für eine verständigungsorientierte Museumkommunikation müssen in weiterer Folge im digitalen wie analogen Bereich auch bestimmte Qualitätsmerkmale erfüllt werden. Diese sind immaterieller Natur und können zum Teil nur durch das Handeln selbst erreicht werden:
Respekt: Das Museum ist respektvoll gegenüber den thematisierten Inhalten und Objekten, deren Urheber_innen und Vermittler_innen, und seinen Kommunikationspartner_innen (siehe „The Visitor’s Bill of Rights“ von Judy Rand 1996).
Transparenz ist die Offenlegung von Wissen, Informationsquellen, Vermittlungs- und Wissensprozessen sowie Absender_innen. Immer zentraler wird in diesem Kontext, die Provenienz zu Objekten/der Sammlung bewusst aufzuzeigen. Hier ist die Website des Museums eine sehr gute Plattform, die eine breite Reichweite dieser Informationen sicherstellt.
Inklusion stellt aktuell eine der größten politischen Anforderungen an Museen dar. Das Museum soll die verschiedenen Gruppen unserer Gesellschaft in ihrem Lebensumfeld abholen und im Kommunikationsraum Museum – offline und online – willkommen heißen und einbinden.
Das letzte Qualitätsmerkmal Partizipation kann besonders durch den digitalen Bereich verstärkt werden. Social Media Plattformen und andere Medien ermöglichen den Menschen an Prozessen teilzuhaben, Ausstellungen und Projekte mit zu kuratieren und eigene Initiativen zu starten.
Durch das Erfüllen der Qualitätsmerkmale Respekt, Transparenz, Inklusion und Partizipation können Museen zu ihren Kommunikationspartner_innen Vertrauen aufbauen und langfristige Beziehungen initiieren sowie halten. Museen sind von jeher Institutionen, denen die Gesellschaft ein hohes Vertrauen entgegenbringt. Sie haben sich aus ihrer langen Historie heraus als vertrauensvolle Information Broker etabliert. Nun müssen Museen dieses Vertrauen in die digitale Welt transferieren. Denn besonders im Kontext der Online-Kommunikation ist Vertrauen von wesentlicher Bedeutung (Pleil 2015: 31): Kritische Beiträge von virtuellen Freund_innen und Influencer_innen haben starken Einfluss auf die Meinungsbildung von Dritten und können deren Meinung über das Museum bzw. die Motivation zu einem Museumsbesuch stark prägen. Gleichzeitig hat das Museum durch seinen Eintritt in die digitale Welt die Chance, seine Autorität als vertrauensvolle Informationsquelle bewusst einzusetzen und den Menschen im virtuellen Raum als eine Art Anker in der Welt der Informationsflut zu dienen.
Durch die Initiierung und Teilhabe an aktuellen Diskussionen und die Bereitstellung eines offenen Kommunikationsraumes – im realen und v.a. im digitalen Bereich – kann sich das Museum als Ort öffentlicher Meinungsbildung sowie als Förderer und Vermittler von Diskursen positionieren. Dadurch können Museen als relevante Institution in der Gesellschaft und für deren Mitglieder fungieren. Im digitalen Bereich sollten sich Museen deshalb vorab einen Eindruck von der Themenrelevanz ihrer Follower verschaffen. Denn Content-Relevanz stark dafür ausschlaggebend, dass Inhalte von Social Web-Nutzer_innen überhaupt erst wahrgenommen werden (Fink 2015: 283). Gerade die persönliche Relevanz, die Kommunikationspartner_innen dem Museum bescheinigen, spielt eine zentrale Rolle in einen Kommunikationsprozess mit dem Museum zu treten und es zu besuchen.
Fazit
Digitalisierung JA. Aber: basierend auf einer verständigungsorientierten Kommunikationsstrategie, die einen Omnichannel-Charakter aufweist und den online mit dem offline Raum verbindet.
Frage 4: Wie stellst Du Dir das digitale Museum der Zukunft vor? Verständigungsorientiert
Literatur
- Bentele, Günter (2008): Objektivität und Glaubwürdigkeit: Medienrealität rekonstruiert. In: Wehmeier, Stefan / Nothhaft, Howard / Seidenglanz, René (Hg.) (2008): Objektivität und Glaubwürdigkeit: Medienrealität rekonstruiert. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 63-367.
- Bruhn, Manfred (2003): Integrierte Unternehmens- und Markenkommunikation – Strategische Planung und operative Umsetzung. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
- Gries, Christian (21.3.2018): Wie digital sollten Museen (Heute) sein?, aufgerufen am 21.3.2018.
- Fiedler, Isabell / Harrer, Olivia (2017): Das kommunikative Museum. Dissertation (Universität Wien / Fakultät für Sozialwissenschaften).
- Fink, Stephan (2015): Microblogging am Beispiel von Twitter. In: Zerfaß, Ansgar / Pleil, Thomas (Hg.) (2015): Handbuch Online-PR. Strategische Kommunikation in Internet und Social Web. Konstanz und München: UVK Verlagsgesellschaft mbH, S. 273-288.
- Kirchhoff, Sabine (2015): Vom „Web 2.0“ zu „Social Media“: Eine kritische Ideengeschichte. In: Kirchhoff, Sabine (Hg.) (2015): Online-Kommunikation im Social Web. Opladen / Toronto: Verlag Barbara Budrich, S. 17-42.
- Morris Hargreaves McIntyre (2007): Audience knowledge digest, aufgerufen am 25.3.2018.
- Pleil, Thomas (2015): Kommunikation in der digitalen Welt. In: Zerfaß, Ansgar / Pleil, Thomas (Hg.) (2015): Handbuch Online-PR. Strategische Kommunikation im Internet und Social Web. 2. aktualisierte und erweiterte Auflage. Konstanz: UVK, S. 17-38.
- Rand, Judy (1996): The Visitor’s Bill of Rights, aufgerufen am 25.3.2018.
- Thanhofer, Anita (25.3.2018): Blogparade: Wie digital sollten Museen sein?, aufgerufen am 26.3.2018.
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