Ein Versuch der Annäherung und Eingrenzung zentraler Begriffe in der Kulturvermittlung
Teil 2
Dialogorientierte Führungen, Kurator_innengespräche, offene Workshops, Tweetups, Facebook-Aktionen etc. stellen den (direkten und vermittelten) Austausch von Kulturinstitutionen mit (realen und virtuellen) Besucher_innen in den Fokus. Dabei wird ganz bewusst mit dem traditionell einseitigen Informationsfluss von Kulturinstitutionen zu den Empfänger_innen gebrochen.
Kommunikationsexpert_innen und Pädagog_innen fordern diesen Wandel seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vehement ein (z.B. McManus 1989; Hooper-Greenhill 1994). Auch ein Großteil der Besucher_innen möchte verstärkt Möglichkeiten einer echten Dialogführung (Kelly 2006).
Diese Öffnung der Kommunikationsstruktur ist heute wichtiger denn je: der Dialog stellt die Basis für die aktive Teilhabe, Inklusion und Partizipation von Teilöffentlichkeiten dar. Mittels Dialog und Diskursen können aktuelle Themen und Ideen gemeinsam auf den Prüfstand gestellt werden (Sandell 2008).
Doch was ist eigentlich Dialog?
Dialog ist durch Wechselseitigkeit, direktes aufeinander Agieren und Synchronizität gekennzeichnet (Bentele 2013). Traditionellerweise ist er der interpersonellen Kommunikation zugeordnet. Heute wird er aber zunehmend mit dem digitalen Kommunikationsraum in Beziehung gebracht.
Wesentlich für den Dialog ist der ständige Wechsel der Beteiligten zwischen der Sender_innen- und Empfänger_innenrolle. Die Teilnehmer_innen können und sollen sich im Dialog gleichermaßen in den Austausch einbringen können.
Das Ziel des Dialoges ist ein gegenseitiges Verständnis zwischen den Handelnden herzustellen (Grunig/Hunt 1984/2014). Verständnis beruht dabei immer auf rationalen Argumenten und bedeutet, dass sich die Teilnehmer_innen auf eine gemeinsame Situationsdefinition einigen (Habermas 1981).
Aus ihrer Entwicklung heraus sind Museen und Kulturinstitutionen mit einseitiger Kommunikation verbunden.
Vielfältige Inhalte wurden (und werden) über unterschiedliche Kanäle (Ausstellungen, Informationsmaterialien, Website etc.) von den Expert_innen innerhalb der Institution an ein unbekanntes und undefiniertes Massenpublikum kommuniziert. Die Institution ist die autoritäre und allwissende Informationsquelle. Zum Glück ändert sich das. Museen und Kulturinstitutionen orientieren sich zunehmend an den Anforderungen und Bedürfnissen ihrer Zielgruppen. Sie integrieren bewusst technologische Entwicklungen in ihren Kommunikationsraum, was zu einer Öffnung der Kommunikation führt und eine Dialogbereitschaft zeigt.
Hinwendung zur Dialogkommunikation
Wichtig für steigende Hinwendung zu Dialogkommunikation sind einerseits fachliche Erkenntnisse und Fortschritte: die Abwendung von behavioristischen Lerntheorien, die Herausbildung der Museumspädagogik als eigenständige Disziplin (1930er) und die verstärkte Einstellung von Museumspädagog_innen.
Einen starken Einfluss übten auch gesellschaftspolitische Entwicklungen aus. In den Bereichen der Wirtschaft, Wissenschaft und Kommunikation fordern (Kommunikations-)Teilnehmer_innen und Expert_innen mehr Transparenz, Verantwortungsbewusstsein und v. a. Diskursbereitschaft. Ausgelöst wurde dies u.a. vom technischen Fortschritt in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts (Burkart 2005): technische Errungenschaften brachten für die Gesellschaft nicht nur Positives, sondern auch Probleme, negative Auswirkungen und offene Fragen. Dies hat zu einem generellen Vertrauensrückgang in Politik und Wissenschaft geführt. Dialog, Partizipation, Transparenz und Offenheit in der Kommunikation sollen deshalb die Glaubwürdigkeit von Organisationen sichern und Vertrauen bei Rezipient_innen und Stakeholdern aufbauen und langfristig bewahren.
Wandel des Kommunikationsraums
Ein weiterer entscheidender Faktor für die steigende Forderung nach Dialog ist der grundlegende Wandel des Kommunikationsraums, des Kommunikationsverhaltens und der damit verbundenen Erwartungen der Menschen. Durch das Internet und den Einsatz multimedialer Online-Angebote stehen neue Möglichkeiten der Informationsvermittlung und der Dialogführung zur Verfügung. Diese führen zu einem neuen (Selbst-)Verständnis der Rolle vor Nutzer_innen (Pleil 2015): sie fordern zunehmend offene zweiseitige Strukturen und vielfältige Einstiegspunkte in den Kommunikationsprozess.
Dialog kann in Kunst- und Kulturinstitutionen auf verschiedenen Ebenen realisiert werden. Interpersonelle Kommunikation und eine Dialogorientierung sind traditionell in der Museumspädagogik verankert: ein zweiseitiger Austausch findet in jenen Bereichen statt, in denen Besucher_innen direkt mit Mitarbeiter_innen in Dialog treten: z.B. an der Kasse oder im Zusammentreffen mit Aufsichts- und Vermittlungspersonal.
Heute wird Dialog durch den Einsatz neuer Kommunikationstechnologien zunehmend in den digitalen Bereich versetzt. Social Media Plattformen und virtuelle Foren ermöglichen den direkten Kontakt mit Mitarbeiter_innen der Institution.
Wertewandel innerhalb der Institution
Eine prinzipiell dialogermöglichende Kommunikationssituation (offline und online) garantiert jedoch noch nicht, dass eine zweiseitige Kommunikation und eine Verständigung zwischen den Kommunikationspartner_innen auch zustande kommt. Manche Führungen gleichen einem Monolog der Vermittler_innen und lassen keinen Raum für ein Feedback der Rezipient_innen.
Das trifft auch auf den Online-Bereich zu: werden Social Media als einseitiges Informationstool eingesetzt, bleibt ihr Dialogpotential ungenutzt. Und eine im autoritären Ton formulierte Aufforderung an die Nutzer_innen, sich einzubringen, wird von diesen höchstwahrscheinlich als unauthentisch oder bevormundend abgelehnt und stellt die Glaubwürdigkeit der Institution in Frage. Das hat eine qualitative Studie in 2017 ergeben (Fiedler/Harrer 2017).
Deshalb ist es zentral, dass eine Dialogorientierung mit einem grundlegenden Wertewandel innerhalb der Institution einhergeht: Gegenseitigkeit, Nähe, Empathie, Verbindlichkeit, das Risiko sich auf den anderen einzulassen und ein antiautoritäres Verhalten sind für ernstgemeinte Dialogangebote essentiell (Kent/Taylor 2002; Fiedler/Harrer 2017).
Dialog im Gesamten (holistisches Gesamterlebnis)
Es liegt auf der Hand, dass ein Dialog mit den Besucher_innen nicht immer und überall geführt werden kann. Bestimmte Kommunikationsmedien können nur einseitige Kommunikationsmodi stimulieren. So haben Ausstellungsobjekte, Flyer, Kataloge per se wenig Dialogpotential. Diese können jedoch mit Einstiegspunkten in den Dialog versehen werden (z.B. Kontaktnamen und Daten auf Flyern) oder auf Dialogforen im digitalen Bereich verweisen. Wichtig ist, dass die Kommunikation mit den Besucher_innen in ihrer Gesamtheit Dialog ermöglicht und fördert.
Dialogorientierung als Basis für Partizipation
Eine echte Dialogkommunikation ändert die Beziehung zwischen einer Organisation und ihren Öffentlichkeiten und betont den Beziehungsaspekt (Kent/Taylor 2002). Eine zweiseitige symmetrische Kommunikation ist ein Kennzeichen für eine gute und effektive Beziehung zu den Teilöffentlichkeiten (Grunig et al. 2002).
Durch eine dialogorientierte und diskursive Ausrichtung kann eine Institution mit ihren Besucher_innen zu sozialen, kulturellen und politischen Fragestellungen in Interaktion treten um deren Meinungen und Beiträge in ihrem Handeln berücksichtigen und integrieren. M.a.W. Partizipation zu ermöglichen.
Doch zu Partizipation mehr ein anderes Mal.
Literatur
- Benele, Günter (2013): Dialog. In: Bentele, Günter / Brosius, Hans-Bernd / Jarren, Otfried (Hg.) (2013): Lexikon Kommunikations- und Medienwissenschaft. Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 59f.
- Burkart, Roland (2005): Verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit. In: Bentele, Günter / Fröhlich, Romy / Szyszka, Peter (Hg.): Handbuch der Public Relations. Wissenschaftliche Grundlagen und berufliches Handeln. Wiesbaden: VS Verlag, S. 223-240.
- Fiedler/Harrer 2017: Das kommunikative Museum. Dissertation (Universität Wien / Fakultät für Sozialwissenschaften).
- Grunig, Larissa A. / Grunig, James E. / Dozier, David M. (2002): Excellent Public Relations and Effective Organizations: A Study of Communication Management in Three Countries. New Jersey: Lawrence Earlbaum Associates
- Habermas, Jürgen (1981): Theorie des kommunikativen Handelns. Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
- Hooper-Greenhill, Eilean (1994): Museum and their Visitors. London / New York: Routledge.
- Kent, Michael / Taylor, Maureen (2002): Toward a dialogic theory of public relations. In: Public Relations Review 28 (2002), S. 21-3. http://faculty-staff.ou.edu/K/Michael.L.Kent-1/PDFs/PRRTowardTheoryDialoguePR.pdf, aufgerufen am 24.6.2015.
- Kelly, Lynda (2006): Museums as Sources of Information and Learning: The Decision Making Process. http://australianmuseum.net.au/uploads/documents/10049/ljkelly-omj%20paper.pdf, aufgerufen am 15.6.2015.
- McManus, Paulette (1989), Oh, Yes, They Do: How Museum Visitors Read Labels and and Interact with Exhibit Texts. In: Curator: The Museum Journal, Vol. 32(3), S. 174-189.
- Pleil, Thomas (2015): Kommunikation in der digitalen Welt. In: Zerfaß, Ansgar / Pleil, Thomas (Hg.) (2015): Handbuch Online-PR. Strategische Kommunikation im Internet und Social Web. Konstanz: UVK, S. 17-38.
- Sandell, Richard (2008): „On Museum Ethics“ Keynote. http://www.museumethics.org/2008/11/keynote-dr-richard-sandell-on-museum-ethics, aufgerufen am 12.6.2015.
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