In den meisten großen Museen dieser Welt sind sakrale Objekte ausgestellt – aber selten wird deren Präsentation und der Umgang mit ihnen so sorgfältig und behutsam vorbereitet wie im Dom Museum Wien. Was in anderen Museen selbstverständlich scheint, muss hier ausgesprochen und damit zum Thema gemacht werden: vor den Objekten wird deutlich gemacht, dass es sich hier nicht mehr um Objekte der Verehrung handelt, sondern diese jetzt im Museum sind und auch so angeschaut werden. Das funktioniert einerseits in den Vermittlungsprogrammen im Gespräch mit den Vermittler_innen – andererseits ist auch die Konzeption der Dauerausstellung so angelegt, dass sich den Besucher_innen vielfältige Möglichkeiten der Inspiration erschließen.
Wie fruchtbar es sein kann, gerade die ambivalenten Eigenschaften der Ausstellungsobjekte zu thematisieren, zeigen Vermittlungsansätze, die sich z.B. durch das Erforschen der Gemeinsamkeiten von christlicher und islamischer Kunst oder den Dialog mit zeitgenössischen Werken ergeben.
Wer ins Dom Museum kommt, sieht sich im Foyer einer eindrucksvollen, grauen Wendeltreppe gegenüber, die ins erste Stockwerk führt. Oben beginnt die Dauerausstellung, in der die historischen Objekte des Domschatzes mit zeitgenössischer Kunst im Dialog stehen. Die Besucher_innen erhalten auf diese Art von Beginn an eine Anregung, die Kunstwerke aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Das Konzept der Direktorin Johanna Schwanberg ordnet die Werke nach Themenbereichen und wählt Objekte als deren Stellvertreter aus, anstatt sie chronologisch anzuordnen. Indem die drei Säulen des Museums – historische Schätze, die Sammlung von Msg. Otto Mauer und zeitgenössische Werke, die vom Museum nach wie vor angekauft werden – derart zusammengeführt werden, soll ein breites Publikum angesprochen werden, das auch ohne eine Verbindung zum Christentum Zugang zu den Werken finden kann.
Vermittlung ist ein zentrales Anliegen
Dass die Vermittlung der Direktorin ein wichtiges Anliegen ist, wird im Museum deutlich spürbar. Es gibt ein breites Angebot für alle Besucher_innengruppen, ausgezeichnete Begleithefte, einen Multimedia-Guide, der auch als App verfügbar ist (eine Rezension dazu haben wir hier verfasst 25 Jahr, blondes Haar). Das Vermittlungsteam umfasst Expert_innen der Kunsvermittlung / Kunstpädagogik, Montessori- und Kindergartenpädagogik, Kunstwissenschaft und Religionspädagogik sowie Künstlerinnen und Künstler, die gemeinsam das vielfältige Programm planen und gestalten. So können vielfache Ansätze einfließen und unterschiedliche Bedürfnisse der Besuchenden abgedeckt werden. Aber wie gestaltet sich der Alltag im Museum für die Vermittler_innen? Wie können das Ausstellungskonzept und die gezeigten Objekte nachhaltig an ein möglichst heterogenes Publikum vermittelt werden? Wie findet dieses Publikum ins Museum? Welche Publikumsgruppen sind leichter zu erreichen, welche schwieriger? Wie wirkt sich die Museumsarchitektur (Architekt: Boris Podrecca) auf die Zugänglichkeit und die Vermittlung aus?
Partizipative Stationen
Wir diskutieren aber nicht nur, sondern probieren auch selbst die Angebote des Museums aus: es gibt mehrere partizipative Stationen direkt in den Ausstellungsräumen: wir fühlen die arabische Schrift auf dem Grabtuch von Rudolf IV. und die Gesichtszüge seines berühmten Porträts – beide sind als Relief direkt neben den Originalen zugänglich.
In einem eigenen Raum mit Blick auf den Stephansdom, dessen Wände mit geheimnisvollen Schriftzügen bedeckt sind, erfahren wir von Rudolfs Leidenschaft, eigene Geheimschriften zu entwickeln. Hier gibt es eine weitere Mitmach-Station: was wir zunächst für einen vergoldeten Holzblock halten, entpuppt sich als riesengroßer Stapel Papier, auf dem eigene Schriftkreationen gestaltet werden können.
Auch in der Wechselausstellung, die immer für ein Jahr angelegt ist, findet Partizipation statt: in der aktuellen Ausstellung „Zeig mir deine Wunde“ können Besuchende eine kleine Leinwand selbst besticken, zerschneiden und beschriften.
Atelier für die Kunstvermittlung
Die Frage nach den Techniken stellen wir uns nochmals im Atelier im Erdgeschoss: welche eignen sich besonders für Workshops der Kunstvermittlung? Wie können wir als Vermittler_innen dazu beitragen, dass nicht einfach nur Material verbraucht wird, sondern z.B. wiederverwendet werden kann? Im Dom Museum Wien wird Wert daraufgelegt, Techniken zu vermitteln, die zuhause nicht leicht auszuführen sind, und die gut an die Inhalte und Objekte des Museums anschließen, sodass die Teilnehmenden sich dort Anregungen holen können. Die alten und neuen Schätze des Museums dienen so als Ausgangspunkte für die Kreativität der kleinen und großen Besuchenden.
Fazit
Das Vermittlungsprogramm und die partizipativen Angebote im Dom Museum Wien laden ein, selbst aktiv zu werden und sich die Inhalte der Ausstellungen auch über das eigene Tun anzueignen. Es werden viele unterschiedliche Formate angeboten, so dass jede/r Besucher_in die Möglichkeit hat, einen eigenen Zugang zu finden. Wir können einen Besuch des Museums und die Teilnahme an den Vermittlungsangeboten ausdrücklich empfehlen, das aktuelle Programm gibt es hier: http://www.dommuseum.at/de/vermittlung/vermittlung/.
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