Jeder Museumsbesuch ist ein komplexes Erlebnis, das von vielfältigen Faktoren geprägt wird. Museumsbesucher_innen bringen Eintrittsnarrative und konkrete Motivationen mit. Sie erleben das Museum in und vor einem bestimmten Kontext (persönlicher, soziokultureller, physischer) und suchen bestimmte Erlebnisse. Zudem wird das Besuchserlebnis durch die Kommunikationssituation im und mit dem Museum beeinflusst. Der Kommunikationspartner Museum muss deshalb all diese Einflussfaktoren kennen und in seinem Angebot berücksichtigen. Nur so kann die Interaktion zwischen den Besuchenden und dem Museum zu einem befriedigenden Erlebnis führen.
- Besucher_innenerlebnis (Fiedler/Harrer 2017)
Eintrittsnarrative
Menschen betreten Museen nicht als unbeschriebenes Blatt, sondern bringen Entrance Narratives mit (Falk 2009, Doering 1999). Diese bestehen aus Interessen, Wissen, Meinungen, Museumserfahrungen und dem Bedürfnis, ein bestimmtes Erlebnis vorzufinden. Eintrittsnarrative sind selbstbestätigend und leiten das Verhalten und Lernen der Besucher_innen. Sie setzen sich zusammen aus dem generellen Situationsrahmen, Informationen zum Thema sowie persönlichen Erfahrungen mit Museen und ihren Angeboten (Ausstellungen, Kulturvermittlung u.a.). Die Vorstellung vom Museumsbesuch ist dabei so zentral, dass sie den tatsächlichen Besuch stärker prägt als die reale Umgebung bzw. das Setting im Museum.

Besucher_innenkontext
Der Besucher_innenkontext wird von Falk in seinem kontextuellen Modell des Lernens gut dargelegt (Falk 2009, Kirchberg/Tröndle 2012):
persönlicher Kontext
Der persönliche Kontext besteht aus Wissen, Erfahrungen, Interessen, Wahl und Kontrolle. Besucher_innen entwickeln Strategien, um eine Auswahl der für sie interessanten Objekte treffen zu können. Dabei dominiert die Suche nach Bekanntem. Vorhandenes Wissen und Interessen sind Anknüpfungspunkte. Menschen, die häufiger ein Museum (und Angebote der Kulturvermittlung) besuchen, sind damit bewandter in der Navigation durch dessen Kommunikationsraum.
physischer Kontext
Der physische Kontext umfasst die Organisation und Orientierung im physischen Raum: die Architektur, das Design, die Ausstellungsobjekte, die Labels und das damit verbundene Angebot der Kulturvermittlung. Besucher_innen stoppen übrigens nur für 20% bis max. 40% der Objekte (Serrell in Falk 2009: 97f).
soziokultureller Kontext
Der soziokulturelle Kontext wird durch den sozialen Austausch und den kulturellen Hintergrund der Besucher_innen geformt. Einerseits besuchen Menschen ein Museum als Teil einer sozialen Gruppe, andererseits treten Besucher_innen in die soziale Gruppe ein, die aus den Besuchenden, den Mitarbeiter_innen, etc. geformt wird. Der Austausch mit diesen Menschen kann mehr Einfluss auf das Besuchserlebnis haben als die ausgestellten Objekte und Labels.

Besucher_innenmotivation
„[V]isitors have made a visit because they believe the organisation can meet their needs” (Morris Hargreaves McIntyre 2006: 27).
Das Besuchserlebnis kann nicht unabhängig von den Erwartungen und Motivationen der Besucher_innen betrachtet werden. Denn das Besuchserlebnis beginnt bereits mit dem Wunsch eines Individuums, identitätsbezogene Bedürfnisse zu befriedigen und das Museum als dafür geeignete Freizeitaktivität auszuwählen. Die Motivation für einen Besuch ist durch einen der folgenden Beweggründe geprägt (vgl. u.a. Falk/Dierking 2000, Smithsonian 2012, Morris Hargreaves McIntyre 2006, Packer/Ballantyne 2002).
- Sozial: ein soziales Bedürfnis wie Wohlbefinden, Wärme, Willkommen sein, Inklusion, Entertainment und v.a. soziale Interaktion.
- Intellektuell – Lernen und Bildung: Intellektuelle Bedürfnisse bzw. ein spaßvolles Lernen.
- Emotional – Freude und Genuss: die Suche nach Freude, Genuss und Unterhaltung; Nostalgie, persönliche Relevanz, Berührtsein, ästhetische Freude.
- Spirituell: Kontemplation oder Eskapismus; erst wenn die sozialen, intellektuellen und emotionalen Bedürfnisse gestillt sind, werden spirituelle geltend.

Auch die Motive für einen Nicht-Besuch werden erforscht (siehe u.a. Hood 1983, Morris Hargreaves McIntyre 2006, Ahola/Uusitalo 2008). Barrieren finden sich einerseits auf der Museumsseite: z.B. fehlende Beschriftungen, unangemessenes Verhalten der Mitarbeiter_innen, (in)direkte Diskriminierung. Auf der persönlichen und sozialen Ebene der Besuchenden gibt es u.a. folgende Barrieren: mangelnder sozialer Kontakt, mangelndes Selbstbewusstsein, niedriges Einkommen, Armut. Besonders häufig ist auch die Annahme, dass Museen weder für die Community noch für den Einzelnen etwas bieten können.
Erlebniskategorien
Die Erlebnisse, die Menschen im Museum suchen und welche von Museen ermöglicht werden, lassen sich in folgende Kategorien einteilen (Doering 1999, Kirchberg/Tröndle 2012):
- Soziale Erlebnisse: basieren auf der Interaktion mit anderen Individuen.
- Objekt-Erlebnisse: sind an ein gegenständliches Objekt und dessen Authentizität geknüpft.
- Kognitive Erlebnisse: sind durch interpretative und intellektuelle Aspekte gekennzeichnet und ermöglichen einen Zugewinn von Information und Wissen.
- Introspektive Erlebnisse: haben einen nach innen gerichteten Fokus. Exponate oder Ausstellungen evozieren Emotionen und Erinnerungen.
- Ästhetische Erlebnisse und Flow-Erlebnisse: das völlige Vertiefen und Aufgehen in einem ästhetischen Erlebnis bzw. in der Auseinandersetzung mit einem Objekt, einem Spiel oder einem interaktiven Angebot.

Die Erlebniskategorien schließen sich gegenseitig aus: Objekt-Erfahrungen und kognitive Erlebnisse arbeiten gegeneinander und soziale Erlebnisse und introspektive Erlebnisse stehen zueinander im Widerspruch. Die verschiedenen Erlebniskategorien erfordern deshalb unterschiedliche Umgebungen: Objekt-Erlebnisse brauchen Settings, die frei von Texten und anderen kognitiv orientierten Medien sind, während introspektive Erlebnisse die nötige Ruhe aufweisen müssen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass Individuen bestimmte Erlebnistypen aufgrund von persönlicher Veranlagung und vergangener Erfahrung bevorzugen, genauso wie Museen die Bereitstellung bestimmter Erlebnistypen präferieren und bewusst fördern.
Kommunikation
Das Besucher_innenerlebnis wird stark von der Kommunikationssituation mit dem Museum bestimmt. Der Einflussfaktor Kommunikation ist deshalb so zentral, weil das Besuchserlebnis in eine Visitor Journey eingebettet ist: Diese beginnt vor dem Besuch beim Erstkontakt mit dem Museum (z.B über Informationsbroschüren oder einen Besuch der Museumswebsite bzw. der Social Media-Kanäle der Institution), realisiert sich im Museum (Inanspruchnahme der im Museum bereitgestellten Kommunikationsmittel) und endet nach dem Besuch des Museumsgebäudes (z.B. mit einer Nachbereitung in Form einer weiterführenden Vertiefung in Inhalte auf der Website des Museums, der Mitnahme von Informationsmaterial, dem Eintragen in einen digitalen Informationsverteiler oder das Folgen und Teilhaben auf Social Media-Kanälen). Eine zweiseitige, auf Verständigung zielende Kommunikation ist deshalb auf allen analogen und digitalen Kommunikationsebenen notwendig und die Basis für ein befriedigendes Besuchserlebnis (siehe verständigungsorientiere Museumkommunikation).

Besucher_innenbefriedigung
Museumsbesuche können zu einer Befriedigung bei den Besucher_innen führen, wenn sie ihren Eintrittsnarrativen entsprechen, die individuellen Motivationen und Bedürfnisse zufrieden stellen, die gesuchten Erlebnisse bieten und auf einer verständigungsorientierten Kommunikation (Fiedler/Harrer 2017) basieren. Die Museumsliteratur liefert zudem weitere Empfehlungen, wie Museen ihre Beziehung zu den Besucher_innen und deren Erlebnis im Museum verbessern können: Vertrauen, Respekt, Autorität und Verbundenheit (siehe u.a. Skramstad 2004, Rand 1996). In diesem Zusammenhang sei auch auf Rands (1996) The Visitors’ Bill of Rights verwiesen.
Fazit
Das Besuchserlebnis Museum ist sehr komplex und wird von vielen Faktoren geprägt. Auf Seite der Besuchenden sind dies Lebenskontext, Motive, Erwartungen und Bedürfnisse. Im Museum selbst ist neben dem Raum und dem Angebot der Austausch in der sozialen Gruppe zentral. Das Besucher_innenerlebnis wird insgesamt sehr stark von der Kommunikationssituation vor, während und nach dem Besuch bestimmt. Museumsbesuche führen dann zu einer Befriedigung der Besuchenden, wenn sie ihren Eintrittsnarrativen entsprechen, individuelle Motivationen und Bedürfnisse zufrieden stellen, die gesuchten Erlebnisse bieten und auf einer verständigungsorientierten Kommunikation (Fiedler/Harrer 2017) basieren.
Literatur
- Ahola, Eeva-Katri / Uusitalo, Liisa (2008): Can we segment art museum visitors? A study of segmentation based on consumer motives and preferences. In: Uusitalo, Liisa (Hg.) (2008): museum and visual art markets. Helsingin kauppakorkeakoulu – HSE Print 2008, S. 157-168
- Doering, Zahava D. (1999): Strangers, Guests or Clients? Visitor Experiences in Museums. Paper presented at a conference, Managing the Arts: Performance, Financing, Service, Weimar, Germany, March 17-9, 1999. Institutional Studies, Smithsonian Institution.
- Falk, John (2009): Identity and the Museum Visitor Experience. Walnut Creek CA: Left Coast Press Inc.
- Fiedler, Isabell / Harrer, Olivia (2017): Das kommunikative Museum. Dissertation (Universität Wien / Fakultät für Sozialwissenschaften).
- Hood, Marilyn G.(1983): Staying Away: Why people choose Not to Visit Museums. In: Anderson, Gail (Hg.) 2004: Reinventing the Museum. Historical and Contemporary Perspectives on the Paradigm Shift. Lanham/USA: AltaMira Press, S. 150-157.
- Kirchberg, Volker / Tröndle, Martin (2012): Experiencing Exhibitions: A Review of Studies on Visitor Experiences in Museums. In: Curator: The Museum Journal, Vol. 55(4), 2012, S. 435-452.
- Morris Hargreaves McIntyre (2006): Audience knowledge digest
- Rand, Judy (1996): The Visitors’ Bill of Rights
- Skramstad, Herold (2004): An Agenda for Museums in the Twenty-first Century. In: Anderson, Gail (Hg.) (2004): Reinventing the Museum. Historical and Contemporary Perspectives on the Paradigm Shift. Lanham/USA: AltaMira Press, S. 118-132.